Zusammen mit der GP Grenzach Produktions GmbH zeigt die berufundfamilie erstmals in Form einer Case Study, was das audit berufundfamilie einer Organisation bietet und in ihr bewirkt: Strategie für alle Lebensphasen. Entwicklung der Personalarbeit.
Lesen Sie, wie das seit 2008 zertifizierte mittelständische Unternehmen die Auditierungen erlebte – von der Erst-Auditierung, über die Re-Auditierung Optimierung und Re-Auditierung Konsolidierung, bis hin zum Dialogverfahren.
Erfahren Sie mehr über die Effekte des audit berufundfamilie. Lesen Sie sich hier über zwölf Kapitel zum Nutzen des Management-Tools ein – kurz, knackig und gleichzeitig vertieft durch ein Interview, ein Statement oder einen informativen Artikel.
Die komplette Case Study als PDF zum Download finden Sie hier.
Interview mit Michael Oliva, Leiter Personal und Öffentlichkeitsarbeit der GP Grenzach Produktions GmbH
berufundfamilie: Herr Oliva, warum kommt dem Aspekt der Führung eine zentrale Bedeutung bei der Gestaltung einer familienbewussten Personalpolitik zu?
Oliva: Unser Grundverständnis des gesamten audit berufundfamilie in all seinen Einzelschritten ist der eines langfristigen Veränderungsprozesses als Teil der strategischen Gesamtausrichtung des Unternehmens und der darauf basierenden Führungsprozesse. Das bedeutet, dass eine nachhaltige Integration einer familienbewussten Personalpolitik nur dann gelingt, wenn ihre Kernelemente Teil des unternehmerischen Führungsverständnisses ist.
berufundfamilie: Welche Rolle spielen dabei die Führungskräfte?
Oliva: Die Führungskräfte spielen in diesem Prozess eine ganz zentrale Rolle. Prinzipien einer familienbewussten Personalpolitik werden in vielen Fällen zwar von der Geschäftsleitung mit Unterstützung des Personalbereichs definiert. Umgesetzt und in das Unternehmen und seine Prozesse integriert werden sie aber ausschließlich von den Führungskräften. Sie sind der entscheidende Transmissionsriemen zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitern.
Schauen Sie sich die Schwerpunkte unserer Zielvereinbarungen und Strategie-Workshops an. Fragen der Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeit, der Wahl des Arbeitsortes, der Information und Kommunikation sind letztendlich immer nur gestaltbar im engen Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. In diesen Dialog fließen dann die Elemente einer familienbewussten Personalpolitik ein.
berufundfamilie: Wie haben Sie Ihre Führungskräfte auf diesen Prozess vorbereitet und eine entsprechende Kompetenz aufgebaut?
Oliva: Uns war von Anfang an klar, dass unsere Führungskräfte einerseits die entscheidenden Träger*innen dieses Prozesses, aber anderseits selbst auch Teil der Veränderung unserer strategischen Ausrichtung sind. Das heißt: Sie waren die verantwortlichen Träger*innen der Veränderung und mussten sich zugleich aber auch selbst verändern.
Aus diesem Grund haben wir schon sehr frühzeitig das audit berufundfamilie mit all seinen Gestaltungselementen zum Inhalt unserer Führungskräfteentwicklung gemacht. Alle Maßnahmen – Trainings, Kurse, Dialogveranstaltungen etc. –, die Teil unserer auf Führungspositionen vorbereitenden Entwicklungen sind, haben wir überprüft und an unsere Ideen zur familienbewussten Personalpolitik angepasst.
Besonders bewährt hat sich in diesem Zusammenhang unsere Familienbeauftragte. Sie hat Führungskräfte direkt beraten oder unsere Führungskräfte haben bei besonderen Fragestellungen die Mitarbeitenden an die Familienbeauftragte verwiesen.
berufundfamilie: In welchen Fragestellungen war dies schwierig bzw. mussten Sie sich auch mit Widerständen auseinandersetzen?
Oliva: Offenen oder auch verdeckten Widerstand gegen das audit konnten wir nicht feststellen. Dies lag natürlich daran, dass wir frühzeitig und über das gesamte audit hinweg im ständigen intensiven Dialog und Austausch mit unseren Führungskräften standen. Natürlich gab es dabei Diskussionen über Sinn und Unsinn der einen oder anderen Maßnahme. Aber dies ist schließlich notwendiger Teil eines jeden Veränderungsprozesses.
Eine besondere Herausforderung war ohne Zweifel die Sensibilisierung unserer Führungskräfte für das Thema „Pflege von Angehörigen“. Dieses Thema war – wie in vielen Unternehmen – stark tabuisiert. Das heißt, es wurde im Verhältnis zwischen Mitarbeitenden und Führungskraft überhaupt nicht thematisiert, obwohl unterschwellig klar war, dass die Pflege von Angehörigen in vielen Fällen wegen zeitlicher, physischer und psychischer Belastung auf das Arbeitsverhältnis wirkt.
Dieses Thema durch gezielte Informationen und Schulungen mit unseren Führungskräften aus der Tabuzone herausgeführt zu haben und damit neues Vertrauenskapital im Verhältnis Führungskraft – Mitarbeitende aufgebaut zu haben, ist sicherlich einer unserer ganz besonderen Erfolge.
berufundfamilie: Herr Oliva, wir danken Ihnen für das Gespräch.
2 Fragen, 2 Antworten – mit Oliver Schmitz, Geschäftsführer der berufundfamilie Service GmbH
berufundfamilie: In einem Satz formuliert – Welches Ziel verfolgt das audit berufundfamilie?
Schmitz: Das audit berufundfamilie entwickelt systematisch das betriebsindividuelle Vereinbarkeitspotenzial, um Familien- und Lebensphasenbewusstsein passgenau in der Unternehmenskultur zu verankern. Ziel ist es, Beschäftigte bei Ihren persönlichen Belangen, die sich aus dem Beruf und dem Privatleben ergeben, auf eine Weise zu unterstützen, die auch zu einer höheren Motivation und langfristigen Einsatzfähigkeit führen. Dies steigert die Arbeitgeberattraktivität und führt somit auch zu einer besseren Mitarbeitendenbindung und -gewinnung. In einem Satz formuliert: Es geht um den unternehmerischen Erfolg durch eine positive und authentisch gelebte Unternehmenskultur!
berufundfamilie: Es geht also darum, eine familien- und lebensphasenbewusste Unternehmenskultur zu schaffen. Wie geht das – vor allem, wenn diese passgenau auf die betrieblichen Belange ausgestaltet werden soll? Und wie wichtig sind dabei die Zielvereinbarungen?
Schmitz: Das audit berufundfamilie gibt die Systematik vor: zunächst die Erhebung des Status quo, die darauf aufbauende Bedarfsanalyse und die Ermittlung des betriebsspezifischen Entwicklungspotenzials, dann die Unterstützung bei der Definition der strategischen Zielsetzung und die gemeinsame Erarbeitung konkreter Ziele und Maßnahmen. Zur Systematik gehört auch eine Zielvereinbarung, also ein klares Commitment hinsichtlich der zu implementierenden familien- und lebensphasenbewussten Angebote. Hinzukommen jährliche Berichterstattungen, in denen die Betriebe ihren Entwicklungsstand darlegen und anhand derer justiert werden kann.
Das audit treibt Organisationen somit an, sich über eigene Prozesse klar zu werden, sie darzustellen, zu analysieren und ggf. zu ändern. Insoweit wird Transparenz geschaffen, die in aller Regel im Unternehmen bisher so nicht bestand. Genau das ist auch eine Voraussetzung für das Gelingen der betrieblichen Vereinbarkeitspolitik.
Kurzinterview mit Oliver Schmitz, Geschäftsführer der berufundfamilie Service GmbH
berufundfamilie: Das audit berufundfamilie – politisch gewollt und/ oder unternehmerisch sinnvoll?
Schmitz: Als das audit berufundfamilie 1998 auf Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung entstand, war damit ganz klar ein sozial-politischer Gedanke verbunden. Aber: Das audit zahlt als strategisches Managementinstrument auch deutlich auf die Konten der Arbeitgeber ein. Unternehmen und Institutionen nutzen das audit aufgrund seiner betriebswirtschaftlichen Effekte. Und sie erfahren, dass mit dem audit Organisationsentwicklung geht.
berufundfamilie: Inwieweit nimmt das audit Einfluss auf die gesamte Organisationsentwicklung ggf. über das Thema Familienbewusstsein hinaus?
Schmitz: Die Organisation wächst mit dem audit. Und: Das audit passt sich der Organisation an. Ausgestaltet wird die betriebliche Vereinbarkeitspolitik entlang von acht Handlungsfeldern, die die Kernbereiche einer strategischen Personalpolitik widerspiegeln. Sie bilden, wenn man so will, den Dreh- und Angelpunkt:
- Arbeitszeit
- Arbeitsorganisation
- Arbeitsort
- Information und Kommunikation
- Führung
- Personalentwicklung
- Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen
- Service für Familien
Im Auditierungsprozess wird in allen Handlungsfeldern der Status quo analysiert und der Bedarf ermittelt. Daraus lassen sich zwei bis drei Handlungsfelder ableiten, auf die im Rahmen der Auditierung der Schwerpunkt gelegt wird. Von Auditierung zu Auditierung verlagern sich die Schwerpunkte. Damit wird die Entwicklung der Organisation hinsichtlich der Vereinbarkeit stringent vorangetrieben.
Bei der GP Grenzach Produktions GmbH lag der Fokus der ersten Zielformulierung im Operativen, spätere Zielformulierungen konzentrierten sich auf das Verständnis von Prozessen, Verhalten und Strukturen. Nachhaltigkeit, politische Langfristigkeit, Führungsverständnis und Balance von Unternehmens- und Mitarbeitendeninteressen rückten mit zunehmender Entwicklung stärker in den Mittelpunkt. Dieser Prozess bietet eine Blaupause für die gesamte Personalpolitik und wirkt damit tatsächlich über das Vereinbarkeitsthema hinaus.
Schmitz: Das Zertifikat zum audit berufundfamilie hat eine Laufzeit von jeweils drei Jahren. Das bedeutet aber nicht: „So, wir haben das Zertifikat und warten nun die drei Jahre ab bis zur nächsten Auditierung.“ Das Zertifikat ist der Beleg, dass sich der Arbeitgeber zu einem Prozess der stetigen Verbesserung der betrieblichen Vereinbarkeit committed hat. Kurzum: Es wird gearbeitet. Jede Auditierung legt den jeweiligen Entwicklungsstand des Betriebs und die individuellen betrieblichen Rahmenbedingungen zugrunde. Und die jährlichen Berichterstattungen bieten die Möglichkeit oder den Anlass, auf Veränderungen zu reagieren. Insofern trägt das audit eine agile Ausrichtung durchaus mit.
Statements aus dem Projektteam zum Auditierungsworkshop 2008
Das audit berufundfamilie verlangt nach Breite und Tiefe des Vereinbarkeitsthemas in der Organisation und Belegschaft. Um dies auch bei der GP Grenzach Produktions GmbH zu bewerkstelligen, wurde mit Start der Erst-Auditierung 2008 eine Projektorganisation gebildet. Sie bestand aus je einer Projektgruppe für den Strategie-Workshop mit Vertreter*innen von Geschäftsleitung und Betriebsrat und einem Projektteam für den Auditierungs-Workshop mit Mitarbeitenden und Führungskräften.
Die Mitarbeitenden wurden nach dem Verhältnis Frau*/Mann*, nach der betrieblichen Verteilung in Altersgruppen und Funktionsbereichen ausgewählt. Persönliche Bedürfnisse als Eltern, Nicht-Eltern oder Singles wurden berücksichtigt. Beschäftigte aus der Produktion bildeten mit einem Anteil von 60 % die Mehrheit gegenüber den Verwaltungsbereichen. Die Auswahl der Teilnehmenden erfolgte durch die Führungskräfte.
Eine repräsentative Zusammensetzung von Personen also, die ihre ganz eigenen Erfahrungen im audit-Projektteam sammeln durften. Wir haben nachgefragt:
berufundfamilie: Was war Ihre erste Reaktion, als Sie auf die Mitarbeit im Projektteam angesprochen wurden?
Petra Greiner, Mitarbeiterin Produktion: Zunächst war ich überrascht, angesprochen zu werden. Es passiert ja nicht jeden Tag, dass man gefragt wird, wie Arbeitsbedingungen so weiter entwickelt werden, dass man wie ich – als Teilzeitkraft und Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern – Beruf und Familie besser unter einen Hut bekommt.
Harry Rösch, Führungskraft: Meine erste Reaktion war: Schon wieder ein neues Projekt – Wie soll ich das nur schaffen? Als Führungskraft habe ich doch wirklich genug zu tun. Aber dann stellte ich doch sehr schnell fest, was für ein Potenzial in dem audit berufundfamilie für das Unternehmen und vor allem für die Zusammenarbeitskultur steckt.
Was waren Ihre wesentlichen Erfahrungen als Mitglied des Projektteams?
Brigitte Matt, Mitarbeiterin Verwaltung: Das war schon etwas vollkommen Neues für mich – mit Kolleg*innen aus allen Bereichen des Unternehmens über mögliche Verbesserungen zu diskutieren. Im täglichen Arbeitsalltag sieht man ja nur, was rechts und links von einem passiert. Hier habe ich erstmals einen größeren Überblick gewinnen können und auch einen Eindruck davon bekommen, was Kolleg*innen in anderen Bereichen, vor allem in der Produktion, so bewegt. Und wenn ich mit dem Blick von heute darauf schaue, fällt mir die positive Entwicklung des Themas immer im wieder im Gespräch mit jungen Kolleg*innen auf, die selbst auf die Mutter*rolle zusteuern und richtig ungläubig staunen, wenn sie hören, was sich in den letzten Jahren hier verbessert bzw. weiterentwickelt hat.
Dirk Hoffart, Mitarbeiter Produktion: Am stärksten beeindruckt hat mich die offene und ehrliche Gesprächsatmosphäre in den Projektteam-Sitzungen. Egal ob Produktionsmitarbeiter*in, Führungskraft oder Betriebsrat – jede*r konnte sagen, was sie*ihn beschäftigt. Und alle Vorschläge wurden aufgenommen und dann gemeinsam diskutiert.
Haben Sie den Eindruck, dass Sie mit Ihren Beiträgen und Ihrer Mitarbeit im Projektteam positiv etwas bewegen konnten?
Beate Lorenz, ehemals Mitarbeiterin Produktion, heute Verwaltung: Kennzeichnend für das audit war ja, dass in Betriebsversammlungen und anderen Medien ständig über alle Maßnahmen berichtet wurde. Dadurch wurde im ganzen Unternehmen transparent, wo und wann es zu welchen Verbesserungen kommt. Und in der einen oder anderen Maßnahme konnte ich schon meinen Beitrag aus dem Projektteam wiedererkennen.
Markus Keser, Führungskraft: Natürlich konnte sich nicht jeder mit all seinen Vorschlägen durchsetzen. Darauf kommt es aber letztlich nicht an. Wichtig ist, dass sich die Kultur unserer Zusammenarbeit positiv verändert hat und das macht auch die Aufgabe als Führungskraft leichter.
Andrea Frampton, Familienbeauftragte und verantwortlich für Personal- und Organisationsentwicklung: Als Projektverantwortliche war es für mich gewinnbringend, die Entwicklung zu einer famlienbewussteren Unternehmenskultur mitzugestalten und die Errungenschaften z.T. dann im Selbsterfahrungstest als mittlerweile zweifache Mutter einem Praxistest zu unterziehen. Besonders in der Funktion der Familienbeauftragten macht es mir viel Spaß, den Kolleg*innen bei ihren individuellen Fragestellungen Unterstützung anbieten zu können.
Wie gut kennen Arbeitgeber eigentlich ihr Unternehmen? Wissen sie genau, wie viele und welche familien- und lebensphasenbewussten Angebote sie haben? Die Erfahrungen mit dem audit berufundfamilie geben die Antwort: mehr oder weniger gut. Mehr noch: Das audit, das sich durch eine hohe Analysequalität auszeichnet, kann nicht nur wichtige personalpolitische Informationen offenlegen, es zeigt auch wie lösungsorientiert mit ihnen umgegangen wird. Wer könnte einen besseren Einblick in die Analysequalität und das Aufdecken von betrieblichen Schmerzpunkten und Vereinbarkeitspotenzialen durch das audit berufundfamilie bieten als eine der Auditor*innen? Wir haben Frau Ursula Nicola-Hesse zu diesen Aspekten, die u.a. die GP Grenzach Produktions GmbH begleitet, befragt.
Am Anfang eines Auditierungsprozesses steht die Status quo-Erhebung. Können Sie kurz skizzieren, was Sie wie analysieren?
Die Status quo-Erhebung besteht aus zwei Teilen: einmal aus Kennzahlen zur Mitarbeitendenstruktur und zum anderen aus Informationen zu vorhandenen Rahmenbedingungen, Angeboten, Maßnahmen und Handhabungen zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben in den Handlungsfeldern Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsort, Information und Kommunikation, Führung, Personalentwicklung, Entgeltbestandteile/ geldwerte Leistungen und Service für Familien.
Diese Information sind wichtig, um erkennen zu können, wie eine Organisation in diesen Themen aufgestellt ist und wo Handlungsbedarf liegen könnte. Es wird deutlich, welche Instrumente vorhanden sind, an die man mit Vereinbarkeitsthemen andocken kann, wie z. B. Mitarbeitendengespräch oder Beschäftigtenbefragungen, Führungstrainings usw., welche Informationswege und -mittel vorhanden sind usw.. Wie man dahin kommt? Die Arbeitgeber stellen hierzu weiterführende Informationen zur Verfügung und es finden Vorgespräche statt, so dass ich mir ein gutes Bild von der Organisation machen kann.
Die Analyse bringt einiges zu Tage: Immer wieder stelle ich z. B. fest, dass Unternehmen sehr stolz darauf sind, was sie bereits alles machen. Nur kommunizieren sie darüber nicht systematisch. Oder es gibt viele Einzellösungen, aber die Gesamtausrichtung ist nicht beschrieben und fixiert, so dass dies Bewerber*innen nur schwer näher gebracht werden kann.
Manchmal ist die gelebte Arbeitskultur schon viel weiter als gültige Betriebs- oder Dienstvereinbarungen. Dann braucht es den Mut, z. B. fixierte Kern-Arbeitszeiten zu verkürzen oder ganz aufzuheben.
Die Kennzahlen zur Mitarbeitendenstruktur geben Aufschluss über mögliche Schwerpunktthemen. Wie viele Frauen* und Männer* arbeiten in der Organisation? In der Regel korrespondiert mit einem hohen Anteil an Frauen* auch eine entsprechend hohe Teilzeitquote. In den letzten Jahren beobachte ich in vielen Branchen eine Zunahme des Frauen*anteils und etwas zeitversetzt nimmt dann auch die Anzahl der Teilzeitkräfte zu. Über die Altersstruktur kann man den zukünftigen Bedarf für Vereinbarkeitsthemen sehen. Aktuell begleite ich ein Unternehmen mit einer sehr jungen Mitarbeitendenschaft und einem Frauen*anteil von 80 %. Es ist ganz klar, dass sich dieses Unternehmen mit dem Thema Elternzeit besonders beschäftigen muss.
Andererseits ist aktuell bei vielen Unternehmen die Gruppe der 51- bis 60-Jährigen am größten. Die Themen Pflege von Angehörigen, Arbeitsmodelle, die eine Leistungsfähigkeit bis zur Rente unterstützen, Zusammenarbeit der Generationen usw. müssen in den Blick genommen werden.
Die Dauer der Elternzeit, die inzwischen bei den meisten Arbeitgebern durchschnittlich bei 12 bis 14 Monaten liegt, führt zur Frage, wie diese Zeit vertreten werden kann bzw. ob Arbeitgeber Garantien für die Rückkehr auf den bisherigen Arbeitsplatz aussprechen können.
Natürlich schaue ich mir auch die Führungsstruktur an. Wie ist das Verhältnis von Frauen* und Männern* auf verschiedenen Führungspositionen im Verhältnis zur Geschlechterverteilung insgesamt? Wie viele Führungskräfte arbeiten mit reduzierter Arbeitszeit, wie viele nehmen Elternzeit?
Im Strategieworkshop werden diese Punkte mit der Unternehmensleitung ausführlich besprochen. Daraus ergeben sich dann strategische Ziele für die Auditierung einer Organisation, für Schwerpunkte innerhalb des Prozesses und manchmal auch schon konkreter Handlungsbedarf bzw. konkrete Aufträge für die Weiterarbeit an bestimmten Themen.
Gab es bei der GP Grenzach Produktions GmbH Überraschendes zu entdecken?
Ich habe die GP Grenzach Produktions GmbH 2011 im Rahmen der ersten Re-Auditierung übernommen. Obwohl sie eine relativ junge Mitarbeitendenstruktur hatte, war doch rund ein Viertel der Belegschaft 51+. Für diese Altersgruppe gab es kaum Maßnahmen. Der Vorschlag, hier den Schwerpunkt der Re-Auditierung hin zu legen, wurde von Seiten des Personalleiters und der Themenverantwortlichen sofort aufgegriffen. Sehr positiv war für mich die konsequente Umsetzung der Ziele und Maßnahme zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, für die die GP Grenzach 2013 übrigens mit dem „Demografie Exzellenz Award Baden-Württemberg“ ausgezeichnet wurde.
Drei Jahre später war ich sehr überrascht. Die GP Grenzach war gewachsen und hatte sich weiter verjüngt. Ich hatte davon zwar durch Berichte der Themenverantwortlichen gehört. Aber erst wenn man rund 25 % mehr Mitarbeitenden in der Altersgrafik im Vergleich sieht, wird die Bedeutung klar. Es stellte sich die Frage nach der Wertigkeit der familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik bei Mitarbeitenden und Führungskräften. Konnte die vorhandene familienbewusste Kultur im Wachstum weitergegeben werden?
Überaus positive Rückmeldungen im Rahmen der Re-Auditierung Konsolidierung sowohl von neuen, jungen als auch von langjährigen Mitarbeitenden waren das Ergebnis.
Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben war nach wie vor ein gesetztes und gut gelebtes Thema. Das Zusammenwachsen der unterschiedlichen Mitarbeitendengruppen war das Thema, das weiter bearbeitet werden musste. Und hierbei waren die Führungskräfte gefragt.
Bei der Planung des Dialogverfahrens Anfang 2017 sah ich eine stabile Mitarbeitendenstruktur, einigermaßen gleichmäßig über alle Altersgruppen verteilt. Die größte Gruppe waren weiterhin die Mitarbeitenden unter 30. Das heißt, die Generation Y war im Unternehmen angekommen und machte sich bemerkbar. Unterschiedliche Einstellungen zur Arbeit, unterschiedlicher Umgang mit Technik und IT, unterschiedliche Arbeitsweisen wurden sichtbar. Zusammenarbeit der Generationen war somit das Schwerpunktthema des Dialogtages.
Wie wappnen Sie sich und den Arbeitgeber vor unliebsamen Überraschungen?
Wenn man im Auditierungsprozess ist, kommt es nicht mehr zu großen Überraschungen, weil es ja einen kontinuierlichen Kontakt zwischen den Unternehmen und uns Auditor*innen gibt. Wichtig ist auf jeden Fall vor der Planung des jeweiligen Verfahrens ein Vorbereitungsgespräch. Das hat bei der GP Grenzach Produktions GmbH immer mit dem Personalleiter, Herrn Oliva, und der Themenverantwortlichen, Frau Frampton, stattgefunden. Dabei habe ich neben Informationen zur aktuellen Mitarbeitendenstruktur und zu den aktuellen Rahmenbedingungen immer auch wichtige Informationen zur aktuellen Situation des Unternehmens und zu Personalthemen erhalten. Gleichzeitig konnte ich von Erfahrungen und Trends aus meiner Tätigkeit bei anderen Unternehmen berichten. Dabei haben sich dann die für die GP Grenzach relevanten und interessanten Themen ergeben, die dann im jeweiligen Verfahren aufgegriffen. Das hat sich bei der GP Grenzach Produktions GmbH sehr bewährt.
„In the future everyone will be world-famous for 15 minutes.“ („In Zukunft wird jedermann für 15 Minuten Weltruhm erlangen.“) verkündete Andy Warhol vor 50 Jahren. Ein flüchtiger Ruhm und damit eine Präsenz, die schnell in Vergessenheit gerät. Warum wir diesen Aufmacher für dieses Kapitel zur Case Study wählen? Weil wir einmal mehr deutlich machen möchten, dass eine strategisch angelegte familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik auf Nachhaltigkeit setzt. Das Zertifikat zum audit berufundfamilie bzw. audit familiengerechte hochschule bildet einen Gegenpol zu flüchtigen Bewertungen. Mit seiner dreijährigen Laufzeit ist es für Arbeitgeber das Qualitätssiegel, das längerfristig nach innen und außen wirkt: Es ist Auszeichnung und Verpflichtung zugleich.
In der Fallstudie der GP Grenzach Produktions GmbH heißt es dazu (S. 23): Das Zertifikat verbesserte die Außendarstellung des Unternehmens, was sich insbesondere beim Recruiting neue*r Beschäftigte*r bemerkbar macht. Bewerber*innen sprechen das Thema der Familienfreundlichkeit unter Bezugnahme auf das Zertifikat in Vorstellungsgesprächen bewusst an.
Nicht zuletzt hat die Zertifikatsverleihung wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmung des Arbeitgebers – und das ebenfalls extern wie intern. So berichtet die GP Grenzach mit Blick auf die ihre erste Zertifikatsverleihung (S. 14): Die interne Kommunikation der Zielvereinbarung und der Ergebnisse des audit wurde maßgeblich unterstützt durch die öffentliche Verleihung des Zertifikats. Überreicht wurde das Zertifikat an die Geschäftsleitung in einer Feierstunde in Berlin durch die damalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ursula von der Leyen. Dieses Ereignis fand in der lokalen Presse entsprechende Resonanz und unterstützte damit die interne Kommunikation und die Akzeptanz des audit bei den Beschäftigten erheblich. Darüber hinaus wurde zu den Ergebnissen des audit in allen Betriebs- und Abteilungsversammlungen sowie Aushängen der Geschäftsleitung berichtet. Alle hausinternen Medien widmeten sich regelmäßig dem Thema.
2017 erhielt die GP Grenzach Produktions GmbH zum vierten Mal das Zertifikat zum audit berufundfamilie. Überreicht wurde es am 20. Juni 2017 im Rahmen der Zertifikatsverleihung in Berlin.
Auch in 2018 wurde Berlin erneut zur Hauptstadt der Vereinbarkeit: 300 Arbeitgeber nahmen ihre Auszeichnung – u.a. aus den Händen von Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey – entgegen. Die Bundesministerin betonte in ihrer Rede:
„Starke Familien brauchen familienfreundliche Unternehmen, in denen Wert auf eine familienfreundliche Unternehmenskultur gelegt wird. Eine familienfreundliche Unternehmenskultur ist ein zentraler Hebel zur Fachkräftesicherung und Fachkräftegewinnung. Die Rahmenbedingungen in den Unternehmen müssen so gestaltet sein, dass Beruf und Familie möglich sind, dass Eltern die Gewissheit haben, im Unternehmen als Persönlichkeiten mit Verantwortung für Kinder oder für zu pflegende Angehörige wahr- und ernstgenommen zu werden. Das audit berufundfamilie übernimmt hier seit 20 Jahren eine wichtige Brückenfunktion zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten.“
Blicken wir auf folgendes Szenario: Ein Unternehmen hat im Rahmen der ersten Auditierung ein Eltern-Kind-Zimmer eingerichtet. Schließlich war der Anteil an jungen Eltern angemessen hoch und die Nachfrage nach Notlösungen für die Betreuung eines Kindes entsprechend. Nach zwei Jahren stellt das Unternehmen allerdings fest: Die Nutzung des Eltern-Kind-Zimmers liegt weit unter den Erwartungen. Statt mindestens einmal in zwei Wochen wird das Angebot von Beschäftigten nur maximal alle drei Monate wahrgenommen. Soll das Unternehmen nun die Maßnahmen „Eltern-Kind-Zimmer“ ad acta legen?
Tatsächlich kann die Sinnhaftigkeit von eingeführten familien- und lebensphasenbewussten Maßnahmen im Laufe der Zeit in Frage gestellt werden. Entweder hapert es grundsätzlich an der Nutzung oder die Rahmenbedingungen ändern sich.
Im audit berufundfamilie/ audit familiengerechte hochschule behalten Arbeitgeber bereits angebotene Maßnahmen genauso im Blick wie neu zu entwickelnde Lösungen. Die treibende grundlegende Frage, die das Instrument audit stets mit sich führt, ist darum: Ist das Angebot zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben bedarfsgerecht? Nur wenn Arbeitgeber diese positiv beantworten, kann ihre familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik erfolgreich sein.
Bevor eine Maßnahme abgeschafft wird, gilt es Detailfragen zu beantworten. Und dazu motiviert das audit. Im oben beschriebenen Fall wären das beispielsweise:
- Gibt es andere Notfalllösungen, die attraktiver sind als das Eltern-Kind-Zimmer?
- Ist die geringe Nutzung eventuell auf mangelnde Kommunikation zurückzuführen? Wissen zu wenige Beschäftigte von dem Angebot?
- Sofern der Raum weiterhin zur Verfügung gestellt werden kann: Kann die Nutzung des Eltern-Kind-Zimmers ggf. ausgebaut werden – also auch anderen Zwecken dienen?
Es geht also nicht immer und das „hop oder top“. Maßnahmen können und sollen adaptiert werden, wenn es Sinn macht. Ein (weiteres) Beispiel dazu: Ferienangebote für Kinder von Beschäftigten können gut laufen, sofern sie angemessen gestaltet sind. Das Alter der Zielgruppe ist im Blick zu behalten: Spricht das Angebot, das vor einigen Jahren für die Altersgruppe der 3- bis 6-Jährigen ins Leben gerufen wurde, die heute bis zu 10-Jährigen überhaupt noch an? Bieten Gemeinde/ Region inzwischen Ferienprogramme an, in denen sich der Arbeitgeber einklinken kann?
Aber auch das „Abschaffen“ ist möglich. Wenn beispielsweise der Flyer zu einem bestimmten Vereinbarkeitsthema keine Verbreitung findet – also liegen bleibt – dann sollte man nicht zwingend in den Nachdruck gehen. Vielleicht sind andere Kommunikationskanäle bzw. -instrumente ja attraktiver: etwa eine Rubrik zu dem Aspekt im Intranet.
Auch die GP Grenzach Produktions GmbH hat die Sinnhaftigkeit ihrer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik mit Hilfe des audit immer wieder unter die Lupe genommen – und entsprechend gehandelt, wie der Bericht auf S. 16 der Case Study zur Re-Auditierung ‚Optimierung‘ zeigt:
Der Stand der Umsetzung der Maßnahmen aus dem Vorprozess war mit ca. 90 % hoch. … Bei einzelnen Maßnahmen aus dem Haupthandlungsfeld „Service für Familien“ kam es zu Modifikationen. … So wurde beispielsweise über eine Abfrage bei Pensionär*innen und Elternzeitler*innen festgestellt, dass es keinen Bedarf für ein angedachtes Generationsnetzwerk gab. Aufgrund der verschiedenen Angebote zur Kinderbetreuung wurde zudem auf eine weitere Plattform, die als Informationsbörse zu Angebot/ Nachfrage an Betreuung von Kleinkindern dienen sollte, verzichtet. Auf der anderen Seite hatte man die Nachfrage – insbesondere nach Möglichkeiten der Ferienbetreuung für Kinder – unterschätzt. Hier wurde das Angebot über externe Anbieter ausgeweitet. Im Handlungsfeld „Arbeitszeit“, wo die Einführung einer Lebensarbeitszeitregelung vereinbart worden war, wurde eine Konzernregelung der Bayer AG übernommen.
Wir sind ehrlich: Niemand hat behauptet, dass das audit berufundfamilie eine einfache Sache ist. Eine Auditierung bedeutet Arbeit; Arbeit, die sich allerdings in mehrfacher Hinsicht lohnt.
Im audit werden Arbeitgeber angeleitet, sich intensiv mit ihrem Vereinbarkeitspotenzial in acht Handlungsfeldern auseinanderzusetzen. Dahin kommt man allerdings erst über eine Status quo- und eine anschließende Bedarfsanalyse. Auf die Ermittlung des betriebsspezifischen Entwicklungspotenzials folgt die Erarbeitung konkreter Ziele und Maßnahmen. Im Rahmen der Erst-Auditierung wie auch in der Re-Auditierung Optimierung und der Re-Auditierung Konsolidierung sind die Ergebnisse verbindlich in einer Zielvereinbarung festzuhalten. Und somit endet die Arbeit hier nicht: Mit der Zielvereinbarung geht es vielmehr in die Umsetzung. Und um zu schauen, wie sich die Arbeit entwickelt, ob ggf. nachjustiert werden muss, fällt jedes Jahr ein Bericht an, den die berufundfamilie sichtet.
Im audit fließt also durchaus viel Schweiß. Aber: Auf die Transpiration folgt durchaus die Inspiration. Eigentlich kommt die Inspiration schon während des Prozesses. Ein Hinweis dazu aus der Case Study der GP Grenzach Produktions GmbH (S.15):
Die Erfahrungen in der Erst-Auditierung wurden von den daran beteiligten Unternehmensvertreter*innen als inspirierend empfunden. Insbesondere die Informationen, die man von den Auditoren über andere Unternehmen erhalten habe, hätten zur Entwicklung neuer Ideen deutlich beigetragen. Man habe dadurch auch ein Gefühl für die Machbarkeit weiterer Maßnahmen bekommen.
Das audit ist eben weit mehr als ein Fragebogen. Es geht um Organisationsentwicklung. Den Prozess dazu steuert das audit.Ist Ihnen etwas aufgefallen? Wir bei der berufundfamilie sprechen i.d.R. nicht von „Familienfreundlichkeit“ sondern von „Familienbewusstsein“. Bei „Familienbewusstsein“ geht es darum, betriebliches Handeln zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben auf der kulturellen Ebene zu verankern. Anders gesagt: Ziel ist es, Vereinbarkeit in der Organisation zu leben – von den Beschäftigten bis hin zur obersten Führungsriege. Das gelingt nicht von heute auf morgen, sondern ist als Prozess zu verstehen. Diesen Prozess initiiert und steuert das audit berufundfamilie (bzw. das audit familiengerechte hochschule) ganz strategisch – eben als Entwicklungsaudit.
Die nachhaltige Wirkung des audit war und ist auch bei der GP Grenzach Produktions GmbH ablesbar. In der vorliegenden Langzeit-Case-Study heißt es mit Blick auf die zweite Zertifizierung (also Re-Auditierung Optimierung) auf Seite 18:
Aufgrund dieser Entwicklungen kann man durchaus feststellen, dass zu diesem Zeitpunkt eine Vertiefung der Institutionalisierung der familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik stattgefunden hatte und damit auch zu einem prägenden Faktor der Unternehmenskultur geworden war.
Die GP Grenzach Produktions GmbH durchlief 2017 erstmals das schlanke Dialogverfahren. Diese Verfahren zahlt auf den hohen Entwicklungsstand der familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik langjährig auditierter Arbeitgeber ein. Das bedeutet: Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben ist als zentrales Thema gesetzt und wird gelebt. Diese Arbeitgeber unterstützt das Dialogverfahren nun darin, ihren hohen Entwicklungsstand zu pflegen und in einzelnen ausgesuchten Bereichen das Optimierungspotenzial zu nutzen. So bleibt auch die GP Grenzach Produktions GmbH am Ball – mit folgendem bisherigen Fazit (S. 23 der Case Study):
Das audit berufundfamilie hat das Unternehmen Bayer Grenzach nachhaltig geprägt und dessen Unternehmenskultur positiv verändert. Zwar bestanden schon vor Beginn des audit eine Reihe von Regelungen, die für eine familienbewusste Personalpolitik standen. Allerdings wurden diese Elemente nicht als Teil einer Unternehmensstrategie bewusst gelebt. Der wesentliche Unterschied zum heutigen Zustand besteht darin, dass die familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik Teil des Führungshandelns aller Führungskräfte geworden ist. Im besonderen Maß dazu beigetragen hat die Geschäftsleitung, die vorbehaltlos über die gesamte Dauer des Prozesses das audit unterstützte. Dies galt auch in wirtschaftlich schwierigen Situationen. Ein Abbruch des audit stand niemals zur Diskussion.
Zum kostenlosen Download der Case Study geht es hier.Warum all die Bemühungen um die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben? Wieso eine familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik strategisch gestalten? Fragen, die das Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP) zuletzt für die berufundfamilie 2013 mit einer deutschlandweiten repräsentativen Erhebung unter rund 1.000 Unternehmen eindeutig beantworten konnte: Familienbewusstsein rechnet sich. Systematisch angelegte Vereinbarkeit hat positive Effekte auf alle wesentlichen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Und: Arbeitgeber, die mehr tun, profitieren auch stärker.
So geht ein hohes betriebliches Familienbewusstsein u. a. einher mit:
- einer geringeren Fehlzeiten- (- 12 % gegenüber dem Gesamtdurchschnitt der Unternehmen)
- einer reduzierten Krankheitsquote (- 22 %)
- einer höheren Motivation der Beschäftigten (+ 14 %)
- einer höheren Produktivität der Beschäftigten (+ 13 %)
- einer verbesserten Bindung von Kunden (+ 10 %)
- einer höheren Qualität der Bewerberbungen (+ 12 %)
Im Gegensatz dazu müssen wenig familienbewusste Unternehmen z. B. eine um 48 % höhere Fehlzeitenquote und eine um 27 % höhere Krankheitsquote im Vergleich zum Unternehmensdurchschnitt hinnehmen.
Hohes betriebliches Familienbewusstsein wird mit dem Entwicklungsaudit audit berufundfamilie gefördert. In dem mehrstufigen Verfahren sollen schließlich stets betriebsspezifische Optimierungspotenziale aufgespürt und genutzt werden. Letztendlich hat das audit zum Ziel, Familienbewusstsein in der Unternehmenskultur zu verankern. Entsprechend zeigen nach dem audit berufundfamilie zertifizierte Arbeitgeber laut Studie ein höheres Familienbewusstsein als nicht-auditierte Unternehmen.
Positive betriebswirtschaftliche Effekte konnte und kann auch die GP Grenzach Produktions GmbH beobachten. In der Langzeit-Case-Study lautet das prägnante Resümee (S. 23) dazu:
Ökonomisch hat sich das audit positiv ausgewirkt. Fluktuationskosten konnten gesenkt werden. Die gesteigerte Mitarbeiterzufriedenheit schlug sich in einer verbesserten Arbeitsproduktivität nieder.
Hier geht’s zum Download der Case Study.
Weitere Informationen zu den Ergebnissen der FFP-Studie finden Sie unter http://www.ffp.de/tl_files/dokumente/2013/ub2012_bericht.pdf
Außerdem beschäftigen wir uns auch auf dem berufundfamilie-Blog mit der Frage des betriebswirtschaftlichen Nutzens bzw. ROI:
https://bit.ly/2KwPr7W
https://bit.ly/2z1Zj45
Die Ergebnisse des Dialogverfahrens1 bei der GP Grenzach Produktions GmbH sind ein Beispiel dafür, dass Maßnahmen zur Vereinbarung von Beruf, Familie und Privatleben nie abschließend sind. Im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entstehung reflektieren sie immer ein ganz bestimmtes, aus den jeweiligen gesellschaftlichen und auch betriebsspezifischen Rahmenbedingungen ergebendes Bedürfnis. Im Dialogverfahren wurde bei der GP Grenzach aufgezeigt, dass der demografische Wandel die Arbeitsbeziehungen zwischen den Generationen deutlich verändern wird. Bei den vorangegangenen Auditierungen spielte der Aspekt des Generationenmanagements noch keine Rolle. Nun war es allerdings an der Zeit, Lösungen hinsichtlich der altersmäßig heterogener werdenden Belegschaft zu finden.
In der Langzeit-Case-Study zur GP Grenzach Produktions GmbH heißt es dazu auf Seite 22:
In diesem Handlungsprogramm ist eine deutliche Akzentuierung und perspektivische Weiterentwicklung der bisherigen Zielvereinbarungen und Maßnahmen zu erkennen. Mit dem Blick auf die verschiedenen im Unternehmen arbeitenden Generationen und deren ungleiche Bedürfnisse eröffnet sich eine weitere, mit neuen Inhalten zu füllende Perspektive der familienbewussten Personalpolitik. Damit erfüllt sich der Zweck des Dialogverfahrens – nämlich die Personalpolitik fortlaufend neu einzuschätzen und entsprechend zu positionieren.
Und weiter auf Seite 19/20:
Eine mögliche thematische Erschöpfung (…) hatte sich nicht ergeben. Über die bestehenden Netzwerke und die Implementierung der Themen in die Standardprozesse des Unternehmens hatte sich eine hohe Sensibilisierung für alle Fragen familienbewusster Personalpolitik entwickelt.
Auch Motivationsverluste bei den Prozesstreibern blieben aus. Grund dafür waren positive Rückmeldungen von Seiten der Mitarbeitenden, die wertschätzend und damit auch motivierend wirkten.
Zum kostenlosen Download der Case Study geht es hier.
1Das Dialogverfahren ist ein schlankes Verfahren, das erstmalig nach der Zusammenarbeit von 9 Jahren angewendet werden kann.Sich an neue Themen wie z. B. Pflege, Trauer oder Trennung heranwagen, damit ggf. mit Tabus brechen – das erfolgt in der Regel nicht aus der Binnenorganisation eines Unternehmens heraus. Häufig sind Tabubrüche das Ergebnis einer externen Intervention oder beruhen zumindest auf Impulsen durch außenstehende Expert*innen, die mit ein wenig Distanz und analytischem Blick oft mehr sehen als das Unternehmen selbst. Das audit berufundfamilie fordert als Entwicklungsaudit Organisationen auf, auch thematischen Fortschritt zu generieren. Ein großer und heute noch nachwirkender Step war bei der GP Grenzach Produktions GmbH, sich mit der Re-Auditierung Optimierung (2011) der pflegebewussten Personalpolitik zu verschreiben. Sich mit dem Thema Pflege zu befassen war zumindest teilweise durch die Hinweise und Anregungen der Auditorin motiviert. Denn: Obwohl die GP Grenzach Produktions GmbH 2011 eine relativ junge Mitarbeitendenstruktur hatte, war rund ein Viertel der Belegschaft über 50 Jahre alt. Für diese Altersgruppe gab es kaum Maßnahmen, auch keine Angebote zum Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“. Etwas, was geändert werden musste und prompt geändert wurde.
In der Langzeit Case-Study der GP Grenzach Produktions GmbH heißt es dazu (S. 18):
Bei der Zielvereinbarung zu künftigen Maßnahmen taucht erstmals das Thema „Sensibilisierung der Führungskräfte zum Thema Beruf und Pflege“ auf. Dieses Thema war bisher stark tabuisiert gewesen und man machte es sich zum Ziel, mit der Enttabuisierung des Themas „Pflege von Angehörigen“ einen weiteren Schritt in Richtung Familienbewusstsein zu tun. Dies sollte Schwerpunktthema sein, nachdem zum Anfang des audit die Kinderbetreuung im Fokus stand. Gestärkt durch die bisher im audit gemachten Erfahrungen wurde eine Reihe von Maßnahmen entwickelt, von denen insbesondere die Entwicklung eines sogenannten „Notfall-Ordners“ Erwähnung verdient. In diesem vorstrukturierten Ordner können persönliche Unterlagen – z. B. zu Versicherungen etc. – zusammengestellt werden, um im Pflegefall Angehörigen rasch eine Übersicht zu geben. Er enthält alle für die Pflege von Angehörigen erforderlichen Informationen und der Notfall-Ordner kann von den Mitarbeitenden kostenfrei bei der Familienbeauftragten erworben werden. Auch dieser Prozess wurde von Anfang an nicht über das Personalmanagement, sondern über die Führungskräfte gesteuert. Die Familienbeauftragte bewirbt den Notfall-Ordner übrigens regelmäßig – auch in Führungskräfteveranstaltungen.·